Ansprache zur Eröffnung des 6. Reeperbahnfestivals

Zu Beginn begehe ich gleich mal einen Formfehler, und zwar möchte ich Euch,
unter Einschluss des Bürgermeisters und der Kultursenatorin,
gemeinschaftlich ansprechen:

Liebe Musikfreunde,

als das Reeperbahnfestival vor 6 Jahren als Publikumsevent erstmals stattfand, stand ich selbst mit einem Musikprojekt auf der Bühne des Spielbudenplatzes. Es hat sich seit dem viel getan – auch bei mir – und so spreche ich heute als Label-Inhaber im Namen der IHM zu Ihnen. Ganz anschaulich konnte unser Label den Erfolgsfaktor Reeperbahnfestival erfahren: Letztes Jahr hatte eine unserer Bands die Gelegenheit sich in diesem Rahmen im Docks vorzustellen, das wurde von den Scouts gesehen und die Band wurde auf die ganz großen Festivals gebucht. Da hatte ich diesen Sommer jeweils montags die Freude zu sehen, wie die Band bei Amazon die einstelligen Verkaufsränge erreicht hat. So macht Newcomer-Development natürlich Spaß!

Doch nicht nur für Künstler und Konzertveranstalter ist das Reeperbahnfestival eine Chance ihre Ideen erfolgreich zu machen, denn durch den vor 3 Jahren eingeführten Reeperbahn-Campus zieht es nun die gesamte Musikbranche in diesen Tagen auf den Kiez und viele Musikunternehmen nutzen die Anwesenheit der Gäste zu eigenen Zusammenkünften. So haben sich Reeperbahn-Festival und Campus schnell zum wichtigsten nationalen Branchentreff entwickelt. Doch nicht nur das, wenn man die besondere Historie der Reeperbahn bedenkt, mit der Authentizität als traditioneller Musikstandort und der einmalig hohen Clubdichte hat man, wie man ja auch an meinem Vorredner schon erkennen konnte, international eine Marke gesetzt und, wie ich heute Nachmittag im Gästehaus des Senats lernen durfte, besteht seitens des Auslands eine gewisse Hoffnung darauf, dass das Reeperbahnfestival mit seinem besonderen Format auch auf europäischer Ebene etwas bewegen kann.

Dafür gehört natürlich Dank gesagt, an die Stadt Hamburg, die Hamburg Marketing GmbH und den Bund für die finanzielle Unterstützung und natürlich auch an Alle, die mit ihrem Engagement und großen Leistungen das Festival tatkräftig unterstützt und dieses hohe Niveau ermöglicht haben. Aus Sicht der Initiative Hamburger Musikwirtschaft ist es jetzt an der Zeit diese wichtige Plattform aus Campus und Festival mit einem institutionellen Fördertitel langfristig zu sichern und zu stärken. Und wir sind davon überzeugt, dass dies ein sogenanntes Leuchtturmprojekt ist, an dessen Zukunft man glauben kann.

Die Musikbranche wirkt im Herzen der Kreativwirtschaft. Sie erteilt Aufträge für Musikclips an die Filmwirtschaft und beschäftigt dafür darstellende Künstler, wie auch umgekehrt kaum ein Film ohne Musik auskommt. Designer, bildende Künstler und Werber zerbrechen sich die Köpfe über die Visualisierung unserer emotionalen Inhalte, denn viele Menschen beginnen die Dinge erst mit der Sichtbarkeit an zu begreifen. Das fängt an mit dem Band-Logo und geht bis zum Netzauftritt, von der Verpackung bis zum Plakat. Im Rundfunk ist Musik sogar traditionell die Wirbelsäule des Programms und wo das heute nicht mehr so ist, verkörpert sie wenigsten das i-Tüpfelchen einer Unterhaltungsshow. Ganze Presseerzeugnisse drehen sich ausschließlich um Musik und selbst die Tagesaktuellen widmen unseren Inhalten umfassend Raum. Gleiches gilt für den Buchmarkt, der längst nicht nur mit Künstlerbiographien um musikalische Inhalte bereichert wird. Herzlichen Dank auch an HH Marketing und die Kreativgesellschaft für die Förderung des Zusammenwirkens der Hamburger Musikwirtschaft im Hinblick den bereits genannten Film, und auch auf die Interaktiv und Gamesunternehmen. Selbst die Architektur, als wahrscheinlich gegensätzlichste Kreativbranche gegenüber der Musik, beschränkt sich zumindest in Hamburg nicht nur auf Gastronomie und Parkhausbeschallung, wie man vom Beatles-Platz über die tanzenden Türme bis zur Elbphilharmonie sehen kann.

Daraus vermute ich in Hamburg eine ganz besondere Stärke, die zur Lösung von Zukunftsfragen genutzt werden sollte. Als Designmetropole und Hauptstadt der Musikverlage, mit unserer international vernetzten IT, Games und Onlinebranche und der Kompetenz als Verlags und Medienstandort, sollten wir uns dazu berufen fühlen, beispielsweise das Thema Urheberrecht vorausschauend anpacken zu können und Impulse zu setzen. Die „Hamburger Erklärung“ vor ein paar Jahren ging mir dabei nicht weit genug.

Die IHM will sich dafür engagieren eine Ausbildung zu schaffen, zusammen mit dem Verband der Musikverlage und der Hamburg Media School, die mittelfristig zu einem in Europa führenden Master-Studiengang für Musikmanagement ausgebaut werden soll. Das ist ein Thema zu dem ein Stichwort gehört, dass in Hamburg häufig fällt, nämlich „Private Public Partnership“ und damit sind natürlich alle hier mitangesprochen, die sich dafür engagieren mögen.

Jetzt gucken wir uns die Stadt an. Wir sind eine Stadt, wenn man die umliegenden „Schlafstädte“ mit einbezieht, von über 3 Millionen Leuten. Da sind 500 Kultursäulen und die Telekomkästen einfach viel zu wenig. Ich sage das jetzt nicht nur, weil Werbemöglichkeiten für die Bands und Clubs notwendig sind, sondern auch weil etwas in dieser Stadt so gar nicht sichtbar wird: das Bandplakat, das erste werbliche Mittel das eine Band sich herstellt. Ich möchte, dass dies nicht nur als Werbemaßnahme gesehen wird, sondern als „Ausstellungsfläche“ auf der die gesamte Vielfalt des musikalischen Geschehens dieser Stadt sichtbar wird. Und immer wenn Dinge sichtbar werden, das ist ja eine Binsenweisheit, erhöht das auch die Akzeptanz. Diese Akzeptanz brauchen wir.

Denn wenn man sich mal ansieht, wie sich die individuellen Bürgerrechte – ich nehme jetzt mal nur das Thema Lärmschutz um nicht zu ausufernd zu werden – entwickelt haben, ist es notwendig im eigenen Planungs- und Verantwortungsbereich alle Möglichkeiten auszunutzen, die zur Verfügung stehen, und nach kreativen Lösungen zu suchen, denn viele Veranstaltungen die wir vorhaben sind durch diese Problematik erschwert und nicht so selten ist die Durchführung einer kulturellen Veranstaltung gar nicht mehr möglich.

Bei der Suche nach kreativen Lösungen mag man über die Hamburgensie „Schallschutzschirme“ lachen, aber kreativ sein heißt auch etwas riskieren, etwas wagen und dabei auch mal etwas formulieren, was es noch gar nicht gibt. Aber was es heute nicht gibt kann es morgen vielleicht geben. Es würde Hamburg gut zu Gesicht stehen hier eine eigene Position zu beziehen und dafür zu sorgen, dass den Kulturveranstaltern beim Bund ein eigenes Recht eingeräumt wird. Diesbezüglich etwas auszuarbeiten würde die IHM gerne helfen.

Traditionell ist Hamburg eine Musikmetropole. Anfang November werden wir einen Kreativwirtschaftsbericht vorgelegt bekommen, in dem noch ganz andere Stärken dieser Stadt ausgewiesen werden. Was dieser Bericht aber nicht leisten kann, wir aber für notwendig halten, ist ein Musikwirtschaftsbericht aus dem hervorgeht, wie wir als Kulturermöglicher und Impulsgeber unsere Wirkung entfalten, aber auch ganz knallharte Fakten, denn was unsere wirtschaftliche Power angeht sind wir derzeit auf verschiedene, teilweise unzuverlässige Quellen angewiesen.

Der Herr Bürgermeister und die Kultursenatorin haben beide aufmerksam zugehört. Das macht mich sehr zuversichtlich, dass wir mit unseren Vorstellungen nicht nur Gehör finden, sondern auch ein Problem nach dem anderen, dass wir hier erkennen, für Hamburg auch positiv lösen können.

Bleibt mir noch Ihnen allen für die kommenden Festivaltage zu wünschen gute Gespräche zu führen, überraschende Entdeckungen zu machen, kurzweiliges Entertainment zu erleben und emotional berührt zu werden, hier im herzlichen St. Pauli und, um es mit Hans Alberts zu sagen, auf der Reeperbahn nicht nur „nachts um halb eins“.